WIR SIND ROCKSTARS – Ein Plädoyer an alle (alleinerziehenden) Mamis

Von Published On: 5. Mai 2021Kategorien: Alleinerziehend, Kolumne, Mama0 Kommentare

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Ich beginne wohl am besten damit, dass das letzte Jahr das Schlimmste und gleichzeitig Schönste meines Lebens war- und diese Tatsache hat rein gar nichts mit Corona zu tun. Es ist nun ca. 15 Monate her, dass ich zur alleinerziehenden Mama wurde. Mein Sohn ist 18 Monate alt.

Alleinerziehende Mutter.

Das sagt man so dahin… jeder sagt dann sowas wie ‚Oh das ist sicher hart‘ oder ‚da hat man bestimmt viel zu tun‘ oder ‚Respekt‘.

Meistens Smalltalk, Floskeln und Beileid.

Man selbst weiß, dass wirklich KEINER einen Plan davon hat (außer natürlich andere Alleinerziehende) was es wirklich bedeutet eine alleinerziehende Mutter zu sein. Und erst Recht nicht, wie es ist, eine zu sein, die NICHT jedes zweite Wochenende frei hat, weil der Vater dann das Kind nimmt. Und noch weniger wie es ist, eine zu sein, die nebenbei selbstständig ist und durchgängig arbeiten MUSS, da der Betreuungsunterhalt seit einem Jahr auf sich warten lässt und man ALLEIN das (Über-)Leben finanziert während man ALLEIN das Kind betreut.

Ich habe NIE frei.

Ich glaube ja, dass viele Menschen sich in ihrem Kopf vorstellen, wie das einen Tag lang wohl so ist… Den ganzen Tag kümmern, wickeln, füttern, bespaßen, waschen, anziehen, umziehen… zwischendrin mal am Laptop sitzen und arbeiten… abends das Kind ins Bett bringen, nachts mal wach sein… So in etwa laufen bildliche Vorstellungen in den Köpfen derer ab, die noch keine Kinder haben und sie denken- anstrengend aber machbar. Kriegt man hin.

Sie vergessen dabei es sich für die nächsten 18 Jahre (Minimum) TÄGLICH vorzustellen und haben auch die ganze Tragweite einer Alleinerziehenden – wie zum Beispiel: Einkauf, Haushalt, Arztbesuche, mal Ausgehen oder verabreden wollen, krank sein oder finanziellen Aufwand logischerweise gar nicht im Kopf. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal ausgeschlafen habe. Ehrlich gesagt glaub ich, dass ich das gar nicht mehr kann.

Während ich also täglich meinen Aufgaben als Mutter nachkomme, bin ich nebenbei (!) selbstständige Vermögensberaterin.

Wenn ich übrigens unter anderem zu Themen wie Elterngeld, Kindergeld oder die richtige, gesundheitliche Absicherung für das Kind berate, muss ich immer wieder feststellen, wie wenig Aufklärung eigentlich da ist und wie selten die Mama oder auch das Kind gut aufgestellt ist. Aber das wäre wohl einen weiteren Artikel wert.

Mein Alltag

Mein Sohn Paul wird viermal die Woche vormittags betreut und ich ziehe währenddessen Zoom Marathons durch.
Frühstück? Keine Zeit.
Mittagessen? Schnell nebenbei.
Kaffee!!
Mittags hole ich ihn ab und nehme mir ganz oft vor, wenigstens noch ein bisschen was berufliches zu schaffen und wenn es nur die Mails sind…. Fehlanzeige!

Pauls aktuelles Alter und auch seine Forderung nach Aufmerksamkeit lassen das bis abends nicht zu.
Und das ist auch richtig und gut so.

Sobald er im Bett ist geht es meist weiter mit Zoom, Telefontermin, Zoom- K.O.

22Uhr- oh da ist ja noch der Haushalt… Stinkende Windeln, Staub, Geschirr, Wäsche! Mist.
Mach ich das einfach morgen? Antwort an mich selbst- Wann denn???
Ok also ran da.
23Uhr: Mein Magen knurrt.

Während ich das so tippe, frage ich mich, wie es bei all diesen Fakten sein kann, dass ich wirklich glücklich bin mit dieser Situation? Denn das bin ich!
Und ich kenne auch die Antwort – mal abgesehen davon, dass Paul gerade neben mir auf dem Sofa eingeschlafen ist und ich ganz beseelt von diesem schlafenden Wesen bin. Ich bin zu 100 Prozent sicher, das Gefühl kennt jede von euch!

Wie so oft im Leben, ist der Weg zu meinem Glück ein Prozess gewesen.

Und was für einer. Von heute auf morgen kann deine Welt zwar zusammenbrechen, doch sie wieder aufzubauen und sich in ihr wohl zu fühlen, das funktioniert ganz und gar nicht von heute auf morgen.
Und das ist auch gut so. Und vor allem gesund, denn man braucht Zeit für Realisierung, Verarbeitung, Kraft, Verständnis, Einsicht, Mut und vor allem Selbstvertrauen.

‚Ich kann das‘.

Das alles braucht ebenfalls Zeit, Mut, Kraft, Wille, Motivation, Familie und Freunde und besonders die psychische Kraft nach vorne zu schauen und eben nicht mehr zurück. Viele Schlagwörter, leicht geschrieben, aber unglaublich schwierig zu lernen und umzusetzen.

Oft beginnt es ja bei uns Mamis selbst… In unserem Kopf (auch in meinem) rasen Gedanken wie:

Nicht dass jemand denkt, ich bin eine schlechte Mutter.
Nicht dass jemand denkt ich würde mein Kind nicht über alles lieben.
Nicht dass jemand denkt ich wäre lieber keine Mutter‘.

Das passiert in unserem Kopf während wir die harten Seiten des ‚Mama seins’ laut aussprechen.
Und ja- wir dürfen dazu stehen wie hart es sein kann.

Es ist erlaubt an sich zu zweifeln, es ist erlaubt zu weinen oder zu denken ‚Ich kann nicht mehr‘ und vor allem ist es erlaubt dies auch zu sagen.

Was ich (mittlerweile) aber auch denke und ausspreche:

Ich bin glücklich darüber Pauls Mama zu sein, nichts auf der Welt bedeutet mir mehr!
Ich bin glücklich darüber und stolz wie ich meinen Weg alltäglich meistere, mit all den Ecken und Kanten die menschlich sind und dazugehören, stets dankbar (und zwar bewusst dankbar) für meine Familie und meine Freunde, die mich unterstützen und begleiten.
Ich bin glücklich über jedes Lächeln von Paul.
Ich bin glücklich über die Bindung zu meinem Sohn, die nur ich in dieser Intensität habe und immer haben werde.
Ich bin glücklich darüber dass ich meine Arbeit liebe und deshalb immer gerne arbeite und in meinem Job flexibel alles so gestalten kann wie ich es will.
Die ‚Ich bin glücklich‘-Liste ist noch so viel länger…

Es ist immer eine Frage des Blickwinkels:

Der Blickwinkel auf mich als Alleinerziehende heute:
– Ich gebe und bekomme Liebe
– Ich bin Single, aber nie einsam
– Ich hab immer jemanden zum Kuscheln
– Ich esse jeden Tag was ich will, schaue die Serie, die ich schauen möchte
– Alles befindet sich dort, wo ich es hinlege
– Ich muss mich nicht absprechen oder rechtfertigen
– …
Wie gesagt, eine Frage des Blickwinkels.

Glücksgefühle und Sorgen:

In beidem liegt die Wahrheit des Mama-Seins!
Und deshalb sollte man auch über beides gleichermaßen sprechen (dürfen).

Also, liebe Mamis, wir sind großartig!

Egal ob alleinerziehend, mit Mann oder mit Frau, welche Konstellation auch immer, wir sind großartig und leisten enormes und zwar von dem Moment an indem unser kleines Wunder anfängt in uns zu wachsen.
Es ist wie bereits erwähnt ein Thema, welches leider zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, zu wenig Akzeptanz, zu wenig Verständnis.

Zeit für Veränderung, denn:

Hey Mamis, wir haben uns! Wir sind ja sozusagen eine unglaubliche Masse an Frauen- auf dem Vormarsch zur immer noch nicht gegebenen Gleichberechtigung der Geschlechter.
Ja richtig, keine Vorzüge, keine Sonderbehandlung- einfach Gleichberechtigung!

Ich möchte Mut machen, an alle Mamas und besonders an alle alleinerziehenden Mamas da draußen – Wir sind Rockstars!!

Und natürlich sind das alle Mamas auf ihre Weise- ich bin mir ganz sicher, dass jede ‚verpartnerte‘ Mama, die das jetzt liest, auch genau weiß, wie ich all das hier meine.

Ein kurzes Beispiel zur Veranschaulichung:

Meine Schwester ist verheiratet und ebenfalls Mama.
Wir haben neulich abends kurz telefoniert und irgendwann während unseres Gespräches sagte sie ‚Moment, ich muss mal kurz Gute Nacht sagen‘. Ich hörte wie sie ihrer Tochter einen Kuss gab und gute Nacht sagte. Und auf einmal ‚So da bin ich wieder‘. Ihr Mann hat an diesem Abend die Kleine ins Bett gebracht. Für mich war das irgendwie ein harter Moment- denn wie ihr euch denken könnt, bringe ich Paul JEDEN ABEND ins Bett, mal mehr, mal weniger erfolgreich…dennoch: Jeden Abend. Immer!

Und so geht es uns alleinerziehenden ja mit allem- Jeden Tag und immer, alles allein. Doch es geht- und es kann absolut glücklich machen, wenn man bei sich ist und vor allem eins immer vor Augen hat: Ihr lest es in meinem Schlusssatz.

Und deshalb der letzte Satz für diesen Beitrag:
Ich bin dankbar und glücklich über dieses wunderbare Kind.

Eure Sophie

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