Roses Revolution Day | Über belastende Geburtserlebnisse, Rosen und Rituale

Von Published On: 24. November 2020Kategorien: Geburt, Mama0 Kommentare

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Am 25. November 2020 macht der internationale Roses Revolution Day aufmerksam auf die oftmals unsichtbare Gewalt in der Geburtshilfe. Eltern können eine Rose vor dem Kreißsaal oder dem Ort niederlegen, an dem sie Gewalt im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett erfahren haben. Diesen Tag nehme ich zum Anlass, um über belastende Geburtserfahrungen zu schreiben, die durch körperliche und psychische Gewalt aber auch viele andere Faktoren entstehen können. Wenn du aktuell schwanger bist, Angst vor der Geburt hast oder unter deinen Erinnerungen an die Geburt deines Kindes leidest, gehe achtsam mit dir um und lies den Text vielleicht lieber zu einem späteren Zeitpunkt. Am Ende dieses Artikels findest du Adressen und Hilfsangebote zu diesem Thema.

 
„Oh ja, so ein wichtiges Thema.“ – Das ist eine häufige Reaktion, wenn ich von meiner Arbeit berichte. Denn ich unterstütze Frauen und Männer bei Krisen rund um die Geburt, unter anderem nach belastenden Geburtserfahrungen. Und wenn ich mit Müttern und Vätern darüber spreche, wissen leider viel zu viele, wieso das so eine wichtige Arbeit ist. Letztendlich ist mein persönliches Umfeld auch ein Grund, warum dieses Thema mir so am Herzen liegt: Auch wenn nicht immer ein Trauma im klinischen Sinne entsteht, erleben noch viel zu viele Eltern (ca. 25-30%) die Geburt ihres eigenen Kindes zumindest in Teilen als negativ bis traumatisch.

 

Geburtserlebnisse sind individuell

Hebammen berichten immer wieder, dass sie anhand der Geburtsverläufe nicht vorhersagen können, wann eine Frau (oder ein Mann) eine Geburt als belastend empfindet. Viel entscheidender ist auch laut der Forschung das subjektive Empfinden. Wichtige Faktoren sind unter anderem:

– die Wahrnehmung des Geburtspersonals als unbeteiligt und rücksichtslos
– Gewalt in unterschiedlichsten Formen (z.B. abschätzige Kommentare, Routinemaßnahmen und Interventionen ohne Aufklärung oder Einverständnis, Festhalten…)
– unerträglicher Schmerz
– sehr kurze oder sehr lange Geburt
– Hilflosigkeit, Kontrollverlust, „sich ausgeliefert fühlen“
– subjektive Bedrohlichkeit
– starke Abweichung von den eigenen Erwartungen
– Bindungserleben direkt nach der Geburt

Corona hat auch in diesem Bereich zu Einschränkungen geführt, die Regelungen zu Mundschutz und Begleitpersonen unterscheiden sich je nach Einrichtung und werden immer wieder kritisiert. Egal ob gerechtfertigt oder nicht: Auch diese Besonderheiten könnten Mütter wie Väter noch lange belasten.

Etwa 2-6% der Eltern entwickeln nach der Geburt eine posttraumatische Belastungsstörung, die therapeutisch behandelt werden sollte. Typische Symptome sind sogenannte Flashbacks, also eine plötzliche Überflutung mit Erinnerungen, eine Vermeidung von allem, was an die Geburt erinnert, heftige Gefühlsstürme ebenso wie eine emotionale Betäubung. Aber auch wenn deine Symptome nicht für eine klinische Diagnose sprechen, kann eine Beratung zur Verarbeitung der Geburt sinnvoll sein.

Wie sieht eine solche Beratung aus?

In meiner Beratung ist es mir wichtig, dir erst einmal zuzuhören. Du darfst mir all das erzählen, was dir vielleicht schwer fällt mit Freunden, Familienmitgliedern oder deinem Partner/deiner Partnerin zu besprechen. Du kannst mir das Erlebte in all seinen Facetten, mit deinen Gedanken und Gefühlen schildern – all das und nur das, was du auch berichten möchtest. Gemeinsam versuchen wir Worte zu finden für das Erlebte und deine Gefühle zu ordnen. Worum es nicht gehen wird, ist es, eine(n) Schuldige(n) festzulegen oder eine objektive Wahrheit herauszufiltern.

Wir suchen, ganz allgemein gesprochen, nach deinen individuellen Ressourcen, um Sicherheit zu erlangen, deine Gefühle und Gedanken zu bändigen und deine seelischen Wunden zu heilen. Ich möchte dir ein paar Beispiele geben, wie dies aussehen kann:

1) Um deine Erinnerungen zu vervollständigen, kann es hilfreich sein, deinen Geburtsbericht anzufordern oder um ein Gespräch mit dem Geburtspersonal zu bitten. Wir besprechen gemeinsam, ob dies sinnvoll ist, bereiten es intensiv vor und besprechen es im Anschluss. So kannst du im Nachhinein den Ablauf und geburtshilfliche Maßnahmen besser nachvollziehen, Dinge besser einordnen oder Erwartungen und Realität reflektieren.

2) Wir prüfen auch, wie wir deinen Alltag für dich sicher und und machbar gestalten können. Dazu gehört in einem ersten Schritt oft, den Umgang mit Erinnerungen, Gedanken und Gefühlen zu lernen und zu trainieren. Was hilft dir, dich zu stabilisieren? Wie kannst du mit Wut umgehen? Wie kannst du mit der Trauer umgehen? Wie kannst du dir etwas Gutes tun?

3) Wir schauen auch auf die Bindung zu deinem Kind. Viele Eltern glauben, dass durch eine schwierige Geburt die Bindung zu ihrem Kind für immer gestört sein wird. Dies ist glücklicherweise nicht so. Bindung ist ein Prozess und wird durch viele kleine Momente im Alltag bestimmt und aufgebaut. Auch ein eigenes Willkommens-Ritual kann helfen, den Beginn des Lebens nachzuholen und selbst auf eine schöne Art und Weise zu gestalten.

Natürlich gibt es noch weitere Schritte, Gespräche und Maßnahmen, die dir bei deinem individuellen Weg helfen können. Vielleicht hilft es dir, als Zeichen für deinen Schmerz und deine Erlebnisse eine Rose vor den Kreißsaal zu legen. Vielleicht würde dich dies zum jetzigen Zeitpunkt auch völlig überfordern. Ich möchte dir Mut machen, dass deine Geburtserfahrungen nicht bestimmen müssen, wer du bist oder wie die Beziehung zu deinem Kind aussieht. Vertraue nicht auf die Zeit als Heilerin deiner Wunden, nimm es selbst in die Hand!

 

Wichtige Adressen

Gerechte Geburt e.V. Der Verein organisiert Aktivitäten rund um den Roses Revolution Day in Deutschland und setzt sich für eine „gerechte“ Geburtshilfe ein

Traum(a) Geburt e.V. Informiert Betroffene und Angehörige zu den Themen Gewalt und Trauma rund um die Geburt

Hilfetelefon schwierige Geburt Ein relativ neues Angebot kostenloser telefonischer Erstberatung durch Fachberaterinnen

Anna Schmitz – Psychologische Beratung bei Krisen & Bindungsförderung rund um die Geburt – das bin ich! Melde dich gerne unverbindlich telefonisch oder per Mail bei mir.


 Mehr über Anna Schmitz erfährst du in unserem Interview!

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