Her jetzt mit dem Kindergarten-Platz!

Von Published On: 19. März 2021Kategorien: Alleinerziehend, Gastbeitrag, Kolumne0 Kommentare

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„Kinder brauchen andere Kinder“, so heißt es oft und auch mir wurde das schon oft gesagt. Ab dem Zeitpunkt, als Louis anderthalb Jahre alt war, meistens mit dem Wink, ihn doch „eeendlich mal“ in den Kindergarten zu stecken. Mensch, das ist doch so wichtig für die Kinder. Da erlernen sie das soziale Miteinander, entwickeln ihre Persönlichkeit und intellektuellen Fähigkeiten weiter und so weiter und so fort.

Mag ja alles sein. Nun ist es aber zum einen so, dass es leichter ist, eine Audienz beim Papst, als einen annehmbaren Kindergartenplatz in einer Großstadt zu bekommen; und außerdem muss man sich gefühlt auch schon drei Jahre vor der Geburt vormerken lassen, um auch nur eine zarte Chance auf einen der begehrten Plätze zu bekommen.

Zum anderen störe ich mich etwas an dem Schubladenstil des Spruches. Er kommt daher, wie all diese „die Franzosen dies“, „die Italiener das“, „die Griechen jenes“ – Aussagen. Nicht alle Franzosen sind gleich. Nicht alle Kinder sind gleich. Ich weiß noch, wie in der Straßenbahn mal eine alte Frau Louis (damals 6 Monate alt), viel zu nah kam, so dass er anfing zu weinen. Die Frau daraufhin: „Ah, der fremdelt jetzt.“ Und ich so: „Ne, Sie sind ihm einfach nur unangemessen nah gekommen.“ Sie prompt: „Ne, ne der fremdelt. Das ist jetzt das Alter. Ich hab auch einen Sohn, ich kenn mich aus.

“Ah klar, denn wer kennt sie nicht, die allgemein gültige Faustformel „Kennste ein Kind, kennste alle“.

Es gibt Kinder, die gehen schon mit Eins in den Kindergarten und alles läuft super. Manche Kinder brauchen nur eine Woche Eingewöhnungszeit, während es bei anderen eben fünf sind. Bottom line ist – jedes Kind ist anders. Davon abgesehen, dass wir vorher auch einfach keinen Platz bekommen haben, kam bei Louis selber das Interesse am Kindergarten erst vor wenigen Monaten auf. Vorher hat er immer gesagt:

„Mama, ich kann in Kindergarten gehen, das ist keine ‘blem [=Problem]. Aber nur wenn da keine Kinder sind.“

Alles klar, ich kann das ja mal ansprechen, das erhöht unsere Chancen auf einen Platz bestimmt enorm.

Er ist auch eher der Typ, der sich bei Ankunft am Spielplatz besonders darüber freut, wenn niemand da ist, während genau das für andere Kinder die Enttäuschung pur ist. Tja, wie auch bei uns großen Menschen, gibt es einfach jene, die gerne viele Leute um sich herum haben und solche, die davon nicht so viel brauchen.

Fast forward: Inzwischen geht Louis seit 3 Monaten in den Kindergarten. Die Eingewöhnungszeit ist überraschenderweise sehr kurz gewesen.

Er war jetzt scheinbar einfach ready. Vielleicht haben wir ihn als Bespaßungs- und Abenteuerstätte zu Hause auch langsam gelangweilt und dann sind da natürlich auch tausende neue Spielsachen, die natürlich viel cooler sind, als das alte, langweilige Zeug von zu Hause. Außerdem war das mit seiner Kindergärtnerin offensichtlich Liebe auf den ersten Blick, was für die Eingewöhnung echt erleichternd war. Abgesehen davon, dass er es nur sehr widerwillig toleriert, dass sie die Dreistigkeit an den Tag legt, hin und wieder auch mit anderen Kindern zu spielen und zu reden, findet er sonst wohl alles super. Nur nach dem Abholen irgendwelche Infos aus ihm rauszubekommen, ist quasi unmöglich. Zum Mittagessen gibt es offensichtlich immer „Nix“ und gespielt hat er den ganzen Tag auch „gar nix“. Man sitzt also von morgens bis nachmittags da rum und wartet, dass die Zeit rum geht. Na dann, herzlich willkommen im Home Office Life, mein Sohn.

Nach 2 Jahren Alleinerziehendem-Dasein mit durchgehendem Home Office und dem anschließenden dritten Jahr mit nochmal gesteigertem Schwierigkeitslevel dank Corona und Quarantäne, kann ich euch jedenfalls eins sagen – ich war auch ready!

Völlig überreif quasi.

Ich habe mir die Eingewöhnung für mich selbst viel schwieriger vorgestellt – aber was war? Nachdem ich es in den ersten Tagen nach zwei Stunden schon kaum abwarten konnte, ihn wieder abzuholen, hat mein Kopf ab der zweiten Woche angefangen, zu verstehen, was mich bald eigentlich erwarten könnte. Ruhe und Zeit und so unglaublich viele, ja unendliche Möglichkeiten. Sich nach drei Jahren tagsüber endlich mal wieder nur um einem Job, statt immer gleichzeitig um zwei kümmern zu müssen. In Stille schreiben können, ohne dabei zehntausend mal unterbrechen zu müssen, um zu kochen, füttern, putzen, wickeln und die Arbeit letzten Endes doch wieder auf den Abend und in die Nachtstunden zu verschieben. Vielleicht endlich mal wieder eine Stundenanzahl an Schlaf ergattern, die über fünf liegt. Oh hey und in Ruhe kochen, waschen und vielleicht sogar mal gar nichts machen? Kann ich das eigentlich noch? Vielleicht auch mal alleine durch die Gegend laufen, ohne Kind an der Hand. Bei all diesen Gedanken war ich plötzlich ganz aufgeregt. Ich fühlte mich ein bisschen wie Anna, als sich die Schlosstore endlich wieder öffnen. Und in meinem Kopf so: „Sie öffnen die Fenster und die Tür das gab es hier schon lange Zeit nicht mehr, so viiiele Teller hab ich nie gesehen“.

Versteht mich jetzt nicht falsch, klar liebe ich mein Kind mehr als alles andere bla bla bla – aber oooh diese Stille. Diese süße, entspannende, so lang nicht mehr verspürte Decke aus Ruhe, die sich um mich legen würde.

Und dann war er da – der erste Tag, an dem Louis uns plötzlich nicht mehr vor dem Kindergarten sitzend brauchte und wir gehen konnten. Der Mann und ich waren ganz aufgeregt. Was sollten wir zuerst tun? Es gab doch so unglaublich viel zu tun!

Wo fangen wir nur an, was erledigen wir zuerst? Nutzen! Wir müssen diese Zeit nun unbedingt nutzen.

Erst die Hausarbeit oder doch direkt schnell an den Laptop, um was zu schaffen? Vielleicht krieg ich die Übersetzung ja schon mal fertig. Ah und kochen, ich wollte doch unbedingt in Ruhe kochen. Sport machen? Die Wäsche ist auch wieder voll. Der Mann greift schon nach dem Staubsauger. Oder wie wäre es mit in Ruhe einkaufen? Das ist mit Kind doch momentan immer so schwer. Den Papierkram! Den könnten wir jetzt auch machen. Vor lauter Möglichkeiten und liegen gebliebener Aufgaben völlig erschlagen, setzen wir uns zu Hause angekommen erst mal auf die Couch. Jetzt erst mal gut nachdenken.

Und dann? Wie haben wir diese ersten kostbaren Stunden Zeit letzten Endes verbracht?

Damit, apathisch auf der Couch zu sitzen und vor uns hin zu starren. In völliger Erschöpfung und auch einer gewissen Art Unglauben darüber, wie lange ich – und seit geraumer Zeit nun auch der Partnerkerl – das eigentlich überhaupt durchgehalten haben. Einfach nur da gesessen. Das waren die am besten investierten Stunden seit Wochen.

Nachdem wir zu Ende gestarrt haben, sagt er in die Stille: „Wir müssen jetzt Louis abholen“. „Was, schon vorbei?“

Kurz darauf rennt uns aus dem Kindergarten ein freudestrahlender Loui entgegen und wir platzen fast vor Stolz darüber, was wir für ein großes, süßes Kindergartenkind haben. „Schon vorbei?“, fragt Loui. Ja, schon vorbei, mein Spatz.

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Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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