Date My Mom Part VII – „Hey Paul…“

Von Published On: 6. Oktober 2020Kategorien: Alleinerziehend, Kolumne0 Kommentare

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»… ich war jetzt etwas hin und hergerissen, ob ich das besser 
doch face-to-face oder hierüber mache…
Denke aber, dass es sonst wohl noch unangenehmer wäre, 
weil wir uns zur Begrüßung wahrscheinlich noch küssen würden.
Jedenfalls muss ich dir sagen, dass ich das mit uns nicht mehr kann.
Es gibt da keine guten Worte für und scheiße ist es irgendwie auf
jede Art und Weise, aber ich habe einfach gemerkt, dass sich da
von meiner Seite nicht so viel entwickelt hat. 
Wir verstehen uns mega, aber ich bin nicht verliebt und ich glaube
auch nicht, dass sich das noch entwickeln würde. Und deshalb fände
ich es verkehrt unser beider Zeit zu verschwenden. 
Ich hab mich trotzdem gefreut, dich kennen zu lernen und hatte eine 
schöne Zeit mit dir – und danke für das wohl beste erste (und einzige) 
Tinder-Date aller Zeiten!«

Joa, dat passt, dachte ich mir danach und war auch ein bisschen stolz, dass ich komplett ehrlich war und mal nichts à la “es liegt nicht an dir, es liegt an mir”-Gülle mit reingeschrieben habe. Ich weiß nicht mehr, wo ich das gehört oder gelesen habe, aber mir kam in dem Moment ein ganz treffender Gedanke: Manche Liebesgeschichten sind halt Kurzgeschichten – das heißt nicht, dass sie weniger voll Liebe sind. Irgendwie hat man dann ja doch so eine gewisse Liebe für jemanden, mit dem man sich so nah gekommen ist. Nur ist es halt nicht immer die Art Liebe, die schreit “Ja, du bisset!”.


Dann kam Pauls Antwort und mit ihr die Stunde der Wahrheit. Würden sich meine Gedanken von vorher bestätigen? Können Menschen sehr wohl mit der Wahrheit umgehen und wissen sie sie vielleicht sogar zu schätzen, weil es auch einfach gar nicht mal so unwahrscheinlich ist, dass der erste Mensch, den man über Tinder trifft, vielleicht nicht gerade die Liebe deines Lebens ist?


Scheinbar nicht. Ich saß da und las die Nachricht und dachte ehrlich gesagt bei mir “Okay, gut dass ich das jetzt beendet habe.” An “ich habe keine Gefühle für dich entwickelt” ist eigentlich nichts rumzudiskutieren. Das ist zwar blöd, aber daran kann man nicht rütteln.

Scheinbar kann Mann das aber schon. Denn Paul schrieb in seiner Antwort nun all die Gründe und Argumente auf, die dagegensprechen müssten, dass ich keine Gefühle für ihn hätte. Als ob er mich mit den richtigen Argumenten einfach davon überzeugen könnte, dass das ja doch nicht der Grund sein könnte. Ich mag zwar manchmal nicht ganz einfach sein, was meine unsentimentale Art angeht, aber ich weiß schon, was ich fühle. Ist jetzt nicht so, als ob die Möglichkeit bestanden hätte, dass ich plötzlich sage “Oh ja, stimmt. Jetzt wo du mir das so auflistet und die ganzen Argumente anbringst, sehe ich doch – das kann ja gar nicht sein. Ich muss also wohl doch in dich verliebt sein. Mybad! Du hast mich überzeugt.” Leider funktionieren Gefühle so nicht.

 

Und so sollte es doch kein schnulziges Happy End der ersten Tinder-Romanze meines jungen Lebens geben. Dafür hatte ich jetzt wieder Zeit, die spärlich gesäten freien Abende mit meinen Freunden zu verbringen. Als ich ein paar Tage später mit Kauzi und einem Wegbier bewaffnet durch unsere Hood ziehe, denke ich noch neben ihm her gehend, wie ungezwungen dieses Zusammensein im Vergleich doch ist. Wenn wir uns treffen, dann mach ich mir keine großen Gedanken darum, was ich anziehe, sage, frage oder ob meine Haare mal wieder zu einem Mudda-Dutt-Gezause zusammen gefrimelt sind. “Voll dat Nest”, sagt er dann auch mit seiner üblichen, charmanten Art. Aber das ist wohl der Unterschied zwischen Freundschaft und Sex-Dingern, oder? Bei letzterem macht man sich halt mehr Gedanken und ist nicht immer so tiefenentspannt. Wir laufen weiter und Kauz lacht auf. “Das ist schon interessant so mit dir durch die Gegend zu laufen. Alle Typen gucken dich an und dann geht der Blick so zu mir rüber und ich denk mir nur – Ja, ja, ne, beruhigt euch mal.”

 

Wir überlegen, noch in eine Bar zu gehen. Ich will jetzt noch nicht nach Hause. Wer weiß, wie lange der Sommer noch anhält. Mal sehen, wer sich in den Bars so rumtreibt. Vielleicht ist da ja eher was dabei, als bei Tinder – die App habe ich jedenfalls schon wieder gelöscht. Andererseits habe ich bei der Hitze vielleicht schon etwas zu viel getrunken. Dann komm ich immer zu schnell auf dumme Gedanken…

Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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