Date My Mom Part VI – “Jetzt weiß ich es.”

Von Published On: 29. September 2020Kategorien: Alleinerziehend, Kolumne0 Kommentare

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“Jetzt weiß ich es.”, denke ich mir, als seine Lippen sich immer noch auf meine pressen und er langsam mit seiner Zunge über meine streicht. Ich versuche mich, voll und ganz auf ihn zu konzentrieren. Aber der Gedanke schiesst dann doch völlig unkontrolliert in meinen Kopf: “Ich spür nix.” Also wirklich einfach gar nichts. Ja, er küsst ganz gut und ich find ihn als Typ auch super, aber ich spür einfach nichts. Da ist kein Feuerwerk, kein aufflammendes Ich-will-sofort-mehr-Gefühl, ja nicht mal das leiseste Kribbeln, wenn er mich küsst.

Stattdessen sitze ich sogar hier und versuche mit dem Blick auf die nächste Ampel das Gespräch am Laufen zu halten, nur um dann auch gleich innerlich wieder die Augen zu verdrehen, wenn er sich bei jedem Umschalten auf Rot doch wieder zu mir rüber beugt – ganz toll, Maike, das ist ja mal wieder unglaublich nett von dir.  
 
Immerhin weiß ich in genau diesem Moment jetzt endlich was ich will, beziehungsweise nicht will: Paul. Ich verspür bei ihm einfach kein Verliebtheitsgefühl. Ja, schon klar, wir haben uns erst vier oder fünf Mal getroffen, aber ich bin ehrlich gesagt keine, die daran glaubt, dass sich so etwas mit der Zeit noch “entwickelt”. Wenn schon in dieser eigentlich aufregenden, anfänglichen Kennenlernzeit kein bisschen Kribbeln da ist, dann kommt das auch nicht mehr. Und es kann auch einfach nicht das Wahre sein, wenn ich beim Küssen nichts spüre, sondern mir sogar noch denke “Oah, ja okeee, reicht jetzt auch mal, Jung, ich krieg gleich ne Nackenstarre.”, und mir bei seinen romantischen Kommentaren jedes Mal die Augäpfel vor lauter Augenrollen fast hinten in den Kopf fallen.

Oh man, ich bin so ein Otto, ich werde sowas von single for life sein. Keine zwei Wochen halte ich es mit jemandem aus, bis die Person mich langweilt oder ich merke “Nä, dat isset irgendwie doch nicht.”. Und dass, obwohl es von außen betrachtet so perfekt hätte sein können. Wir hätten echt ein hübsches Paar abgegeben. 
 

Jetzt sitz ich hier und denk mir “Ürks, jetzt muss ich dem das irgendwie sagen.” Ich hasse sowas ja, ne. Was sagt man da? “Ich mag dich voll, du bist ein toller Typ, aber ich fühl halt nichts?” Ist das zu hart? Eigentlich doch nicht. Ich mein, wie hoch ist denn bitte auch die Wahrscheinlichkeit, dass man bei all den Menschen auf diesem Planeten überhaupt jemanden trifft, der einen catcht? Geschweige denn, dass das beim ersten Date nach Ewigkeiten und dann auch noch über Tinder so ist? Ich würde grad gerne mit meinem besten Freund drüber quatschen, aber der ist mal wieder irgendwo in der Weltgeschichte viel zu weit entfernt unterwegs. Hier in Köln habe ich inzwischen auch endlich mal wieder einen männlichen Freund gefunden, der sogar echt best-friend-Potenzial hat. Mit ihm sind Gespräche irgendwie immer so easy. Wir kennen uns jetzt seit fast zwei Jahren. Süßer Iraner mit wildem Lockenkopf und einem so Dauer-verschlafenen Blick, dass er bei uns im Viertel von einigen nur Kauz genannt wird.

Er hat mir auch schon so einige Stories über seine Beziehungskisten erzählt, also könnte ich doch eigentlich mal mit ihm darüber reden, um mal die Männerperspektive zu hören. Kann man das jemandem so sagen, wenn es doch einfach die Wahrheit ist? Wenn ich so darüber nachdenke, wie ich so Sachen früher beendet habe, bin ich mir eigentlich schon sicher, dass ich es dieses Mal anders machen will. Ich möchte keine Ausflüchte mehr finden, wie “ich bin noch nicht so weit” oder “es liegt nicht an dir, es liegt an mir”. Weil es einfach nicht die Wahrheit wäre. Es liegt an keinem von uns beiden. Es passt halt bloß nicht. Und deshalb möchte ich weder seine, noch meine Zeit verschwenden. 
 

Okay, die Entscheidung steht also – ich sage ihm die nackte Wahrheit, ohne Ausschmückungen und ohne Ausreden, die nur darauf abzielen, es dem anderen irgendwie “leichter” machen zu wollen, die aber eigentlich total unaufrichtig sind. Schande über mein Haupt, aber wenn ich’s mir recht überlege, wird das wohl das erste Mal sein, dass ich so eine Geschichte wirklich vollkommen ehrlich beende. “Die meisten Menschen wollen die Wahrheit gar nicht wissen”, habe ich schon oft Leute sagen hören – ich will das nicht glauben. Mit “ich habe keine Gefühle für dich entwickelt”, gibt es doch eigentlich keine offenen Fragen mehr. Daran kann man nicht rütteln und es will doch auch niemand mit jemandem zusammen sein, der die Gefühle des anderen nicht erwidert. Also, ich bleib dabei, dieses Mal sage ich die reine Wahrheit. Paul ist doch ein cooler, schon etwas älterer Kerl, der hat die Wahrheit verdient und wird dann jawohl auch damit umgehen können und es zu schätzen wissen, dass man ihm nicht mit Ausflüchten kommt, oder?  
 
Aber muss das Gespräch unbedingt face-to-face sein? Word on the streets sagt ja eher ja. Aber eigentlich ist das doch voll der Schwachsinn. Wenn ich jetzt dahinfahren würde, um das zu beenden, dann weiß er das bei der Begrüßung ja noch nicht. Also würden wir uns wohl erst mal wieder küssen – nur damit ich ihm dann 5 Minuten später sage, dass ich in dem Ganzen keinen Sinn mehr sehe? Cool und dann stehen wir uns so richtig dumm gegenüber, haben uns gerade noch geküsst und plötzlich heißt es “ich geh dann mal”. Sagt was ihr wollt, ich halte das für sinnvoller, das per Nachricht zu machen. Gleich morgen. Oder übermorgen. Wenn ich weiß, was ich sagen soll.  
 

Und dann, nach zweitägigem hin und her überlegen, lautete meine Nachricht wie folgt… 

To be continued… 

by Maike Fröhlingsdorf

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Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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