EINE SEEFAHRT, DIE IST LUSTIG | WIE MAN ES SCHAFFT, MIT 4 KINDERN DIE WELT ZU UMSEGELN | TEIL 2

Von Published On: 3. Januar 2020Kategorien: Familie, Gastbeitrag, Reisen0 Kommentare

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Vierfach-Mama Aline (42) ist mit ihrem Partner und ihren vier Kindern seit zweieinhalb Jahren auf Segel-Weltreise unterwegs. Im zweiten Teil des Interviews berichtet sie über magische Momente während des nächtlichen Segelns, Digital Detox auf ihrer Route im karibischen Meer und wie sie ihren Alltag auf dem Boot mit vier Kindern (Lennis (11), Malte (7), Zwillinge Ava und Benno (3)) meistert.

Liebe Aline, wie kann ich mir das vorstellen? Wie lange bleibt Ihr an einem Ort?

Meistens mehrere Wochen. Wir versuchen wirklich die Segel-Schläge klein zu halten. Wir haben für uns herausgefunden, dass nachts segeln funktioniert. Wir haben uns das anfangs gar nicht vorstellen können, weil ich da eher ängstlich war. Es hat sich aber herausgestellt, dass das auch für mich viel besser funktioniert, ich auch viel weniger seekrank werde. Also, bei mir kommt Seekrankheit auch immer, wenn ich unsicher bin, wenn die Wellen höher sind als angesagt, der Wind vielleicht doch ein bisschen stärker pustet als der Wetterbericht angegeben hat, wobei das heute schon relativ verlässlich ist. Aber genau da merke ich, dann werde ich seekrank. Oder wenn es einem der Kinder schlecht geht. Sie sind toitoitoi Gott sei Dank alle sehr seefest bis auf unsere Tochter. Ava hat hin und wieder mal ein bisschen zu kämpfen. Sobald es Ava schlecht geht, kann man mich eigentlich herunterzählen, dann schließ ich mich an, ganz solidarisch. (lacht)

Was macht Ihr da in so einem Fall? Gibt’s da Mittelchen?

Es gibt tatsächlich für mich Mittel, die ich nehmen kann. Es ist ein Mittel, was Schwangere nehmen, wenn ihnen innerhalb der Schwangerschaft übel wird.

Also was Homöopathisches?

Genau, das funktioniert ganz prima. Bei Ava ist Ingwer gut, hilft ganz toll. Ingwertee mit Honig oder auch einfach Vitamin C geht sehr gut. Aber bei Ava ist es glücklicherweise auch so, dass sie einmal kurz spuckt und dann ist es gut. Ich habe dann schon ein bisschen länger was davon. Wir ziehen uns dann einfach ein bisschen zurück, legen uns hin, warten dass es vorbeigeht. Ich habe dann auch in der Regel vorgekocht.

Und da wir jetzt dazu übergegangen sind, dass wir nachts segeln, sprich nachmittags los, dann bringen wir die Kinder ins Bett, segeln die Nacht durch und planen das eigentlich immer so, dass wir dann am nächsten Mittag da sind. Das lässt sich in der Karibik auch prima realisieren, weil das so ganz kleine Distanzen sind entlang der Inseln.
Wir gucken schon, dass wir so drei Wochen mindestens da sind, einfach damit alle ankommen können, man auch etwas mitbekommt von der Umgebung, weil wir ja bis jetzt mit den Zwillingen nicht so Riesen-Touren über Land machen konnten. Wir haben schon die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt und haben uns mal was angeguckt und laufen auch im Rahmen der Möglichkeiten die maximalen Strecken. Auch wenn das ein bisschen begrenzt ist, bekommt man einen ganz tollen Eindruck von Land und Leuten, wenn man etwas längere Zeit an einem Ort ist.

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Das heißt, Ihr seid über den Atlantik rüber und segelt jetzt die Küste entlang?

Wir sind in Martinique angekommen und dann ging es erst einmal hoch zu den Antillen, einmal Richtung Norden, und da sind wir dann Insel für Insel bis Guadeloupe und von da aus dann wieder runter, an Martinique wieder vorbei, bis wir von Inselchen zu Inselchen sind, dann bis runter nach Trinidad. Wir wollten gern Venezuela sehen, genau zu der Zeit als wir da waren, gab es da diese Probleme, die dieses wunderschönen Land ja leider zu der Zeit hatte. Wir sind dann nur auf Los Roques, das ist so ein vorgelagertes Insel-Archipel, was aber fast 200 Meilen vom Festland entfernt ist. Und dann über die Los Roques auf die ABC-Inseln, die niederländischen Antillen, und von dort sind wir dann in die Dominikanische Republik, von dort aus nach Haiti und dann nach Jamaika.

Und dann haben wir tatsächlich unseren längsten Schlag sechs Tage und Nächte am Stück gemacht. Wir sind ja mittlerweile auch eine Weile unterwegs und die Kinder können das mit dem Segeln jetzt auch wirklich besser ab. Zwei Tage am Stück sind jetzt kein Problem. Aber nach sechs Tagen weißt du auch, was du getan hast. Man muss sich dann in der Nacht alle drei Stunden im Wachwechsel ablösen und hat über Tag dann nicht so die riesen Regenerations-Möglichkeiten, weil dann alle wach sind und man die Kinder während des Segelns generell auf ein Boot keine zehn Minuten, keine zehn Sekunden im Prinzip, aus den Augen lassen kann. Man muss einfach wach sein und auch da sein.

 

Einfach weil das Risiko so groß wäre, dass jemand über Bord geht?

Ja richtig. Ich meine, das ist schon minimiert, weil die sich während des Segelns eh nicht wirklich groß über Bord bewegen dürfen, wenn wir nicht speziell dabei sind. Also Lennis durfte schon zum Schluss dann auch das eine oder andere Segel-Manöver mitmachen, er war dann auch einmal vorne am Mast und hat Stephan geholfen.

Die Kleinen sind dann unter Deck?

Ne, die Zwillinge sind dann zum Teil auch eingepickt, so nennt man das, eine Life-Line, die von der Weste dann zum Einhak-Punkt geht, wo man die dann wirklich einhaken kann, damit auch wirklich niemand über Bord gehen kann. Da halten sie sich im Cockpit auf. Da ist ja dann auch immer einer von uns dabei. Das geht schon.

Wenn Ihr so einen langen Schlag macht, wer begegnet Euch dann? Ist das dann so, dass Ihr lange Zeit keine Menschenseele oder andere Boote, Tiere trefft?

Wir haben das große Glück, dass Delfine anscheinend unsere Boote – sowohl bei Der Herz aus Gold als auch bei unserem neuen Boot, bei der Momo – eigentlich immer in Begleitung von Delfinen sind. Über weite Teile der Segel-Trips oder immer wieder zwischendurch finden sich so tolle Tiere, da kann man auch stundenlang beobachten. Während meiner ersten Nachtwache, die ich allein fahren sollte, drei oder zwei Stunden waren es damals noch, sagte Stephan, als ich ins Cockpit rausgekommen bin: „Schau mal, da sind Delfine!“ Und die haben mich wirklich und das ist eigentlich ungewöhnlich, die kompletten zwei Stunden bis meine Wache vorbei war, neben dem Boot begleitet. Ich war so fasziniert, ich habe die ganze Zeit geguckt und die sind auch wirklich aus dem Wasser gesprungen und ich hatte das Gefühl, die gucken mich auch mal ein bisschen an. Das Interesse war durchaus auf beiden Seiten und mit Wachwechsel sind sie auch wieder abgezischt. Das war wirklich ein ganz magischer Moment, eine ganz schöne Begegnung. Das hat mir diese Angst genommen, weil ich so abgelenkt war. Ansonsten begegnen uns Wale gerne auch schlafend, man sieht dann so einen Walrücken aus dem Wasser ragen. Wir haben ein Stahlboot, uns würde jetzt nicht wirklich groß was passieren, wenn der Wal sich nicht erschreckt, dass er mit seiner Schwanzflosse aufs Boot knallt. Aber du willst natürlich auch das Tier auf gar keinen Fall verletzen und sofern beobachten wir das Meer schon sehr genau.

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Wie funktioniert das, mit Scheinwerfern?

Du hast nur den Mond. Du musst schon gucken. Du kannst einen Baumstumpf oder irgendwas Kleines, wenn das im Wasser schwimmt, nicht sehen. Aber das Gute an einem Stahlboot ist ja, das reißt ja nicht direkt ein Loch ins Boot, wie das bei manchen Plastikbooten der Fall wäre. Ansonsten begegnen uns Schiffe, allerdings meistens am Horizont, oft große Container, Dampfer. Da muss man natürlich immer aufpassen. Man muss dann immer die Lichter zulegen. Es gibt immer ganz bestimmte Lichtsignale anhand derer man ausmachen kann, in welche Richtung das Schiff navigiert. Wir haben jetzt auch so ein AIS-System, wo wir auf unseren Seekarten andere Schiffe und deren Kurs angezeigt bekommen. Um ausschließen zu können, dass es einen Kenter-Kurs gibt. Das sind so die Dinge, die einem begegnen.

Und wie ist das so mit Land und Leuten? Wenn Ihr da alle paar Wochen weiter segelt, lernt Ihr dann auch die Leute von vor Ort kennen? Ist das einfach, wie kann man sich das vorstellen?

Ja wir haben tatsächlich ein paar Mal ganz tolle Locals kennenlernen dürfen, weil wir wie gesagt längere Zeit immer dageblieben sind. Es ist aber tatsächlich auch so, wenn wir mit sechs Leuten aus diesem kleinen Boot runter stolpern, dass uns da wirklich ganz viel Sympathien entgegengebracht werden, mit unseren vier Blondschöpfen, dass wir dann auch ganz oft angesprochen werden. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass tatsächlich je ärmer die Bevölkerung, das ist keine zwingende Regel, aber es war wirklich so, je ärmer, desto herzlicher und hilfsbereiter. Sie haben uns dann mit Mangos aus ihrem Garten beschenkt.

Und wir haben tatsächlich aucg aus Segler-Kreisen ganz tolle Leute kennenlernen dürfen, eben auch viele andere Familien. Gerade jenseits des Atlantiks gibt es ganz viele Langzeit-Segler mit Kindern. Das ist im Mittelmeerraum nicht so. Da gibt’s auch Cruiser, die mit Kindern unterwegs sind, die sind aber in der Regel eher Ferien- oder Wochenend-gebunden. Auf der anderen Seite gibt‘s dann wirklich die Aussteiger, die Langzeit-Segler. Und da gibt es einige Familien, nicht alle zwingend deutschsprachig. Aber das ist eben das tolle Plus, dass die Kinder ganz schnell Englisch gelernt haben, weil sie englische Kinder kennengelernt haben und begriffen haben, dass wenn sie mit denen spielen wollen, müssen sie Englisch sprechen. Und dann ging das innerhalb kürzester Zeit, man konnte wirklich zugucken, die sprachen auf einmal fließend Englisch.

…Also war der Englischunterricht auch schon abgedeckt…

Ja tatsächlich. Es gibt ja die modernen Medien, wir haben dann irgendwie ein paar Apps auf einem Pad. Und da holen wir dann ein bisschen die Grammatik nach. Wir lesen dann auch mal ein englisches Buch, um auch das Schriftbild zu sehen. Ansonsten läuft es aber sehr viel über das Mündliche, aber da sind sie jetzt ganz sicher mit den Zeiten, gelernt von Muttersprachlern, das ist ein Riesenvorteil.

Und das funktioniert auch ganz gut? Technisch gesehen, dass du dann einfach mal was runterlädst oder muss man warten bis ihr die nächste große Stadt ansteuert?

Man muss halt gucken, dass Du irgendwann Verbindung hast. Es gibt natürlich auch Verträge, die man dafür abschließen könnte, die können wir aber nicht bezahlen. Wir sind schon darauf angewiesen, dass wir irgendwo ein Café oder irgendwas mit Internet finden, wo wir das dann mal runterladen können. Aber das gibt es in der Regel. Es sind nur ganz wenige Inseln, wo einfach gar nichts war, aber auch das haben wir genossen. Also auch ohne das Internet. Digital Detox.

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Also das Internet ist quasi auch auf der letzten Insel angekommen?

Nicht überall, wie gesagt, so auf Haiti. Es war auch eigentlich nur die Île à Vache. Es gab Unruhen auf dem Festland zu der Zeit, als wir da entlang gesegelt sind. Aber auf diesen vorgelagerten Inseln ticken die Uhren tatsächlich ein bisschen anders. Ganz schön speziell. In Haiti habe ich für mich persönlich diesen Armutsbegriff tatsächlich nochmal ein bisschen neu definiert. Wie gesagt, immer dieser Inselstatus, das ist nicht mit dem Festland Haiti vergleichbar, das weiß ich. Da ist die Armut eine ganz andere, aber auf dieser Île à Vache war es wirklich so, dass die Menschen dort natürlich nach allen westlichen Kriterien bettelarm waren, eben nicht ein Handy hatten und es da auch nicht überall Internet gab. Also eigentlich nur an einem Ort.

Aber die Menschen haben dort nicht Hunger gelitten, weil diese Insel so fruchtbar ist, dass sie da ganz viel selbst angebaut haben, ihre Tiere selbst gehalten haben. Die waren alle wohlgenährt und glücklich. Du siehst so viele glückliche Menschen und das ist generell die schönste Erfahrung am Reisen, dass wir so viele tolle nette Menschen getroffen haben, sie eine ganz andere Zufriedenheit haben als hier. Viele in unserer Wohlstandsgesellschaft sollten vor Glück den lieben langen Tag strahlen, wie gut es uns geht, es tut aber niemand, weil wir das gar nicht so sehen oder viele das gar nicht mehr zu schätzen wissen. Weil es eben auch so zugedeckt ist von viel Arbeit, viel Stress und weil man nicht die Chance hat, sich da ein bisschen rauszunehmen, um dann nochmal neu drauf zu schauen. Dann sieht man, dass die Menschen in Haiti auf dieser Insel eigentlich bettelarm sind, aber so viel zufriedener als die meisten Menschen hier sind. Viele würden hier glaube ich viel Geld dafür zahlen so ein fruchtbares kleines Stück Land zu haben, wo sie einfach selbst etwas anbauen können und ansonsten in einer wunderschönen Gemeinschaft leben können.

Das wäre auch eine Frage von mir. Was wäre einer der schönsten Erfahrungen, die Du gemacht hast?

Ja, also Haiti, das war schon toll, weil es so anders war als erwartet. Ich habe massenweise Buntstifte gekauft für die Kinder da und hab sämtliche Klamotten, die wir jetzt aussortieren konnten von allen zusammengestellt, und das ist auch alles gerne genommen worden und es waren auch schöne Gast-Geschenke. Aber es war wunderschön zu sehen, dass Armut eben nicht gleich Armut sein muss. Nur weil jemand arm ist nach westlichen Kriterien, muss der nicht unglücklich sein und kann trotzdem ein echt schönes Leben führen. Natürlich sehen auch die, was es gibt, dass es Handys gibt und wollen das auch gerne. Klar, wer kann es ihnen verübeln. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass die Menschen dort unglücklich sind. Das war glaube ich, die schönste Erfahrung
am Reisen, neben diesem unglaublichen Geschenk, dass man an wunderschönen Orten sein kann und all das sehen kann. Wir könnten uns das sonst niemals leisten, wenn wir als Familie normal Ferien machen würden, das könnten wir gar nicht bezahlen. Es geht wirklich nur, weil wir aufgrund unseres schwimmenden Zuhauses dort viel Zeit verbringen können. Das Schönste ist eigentlich zu sehen, dass die vielen Menschen überall auf der Welt so toll nett und hilfsbereit sind.

…Ein gutes Gefühl eigentlich…

Ja sehr. Wir sind alle eine Gemeinschaft. Und das ist auch das Schöne. Wir haben schon mit ganz vielen Locals Kontakt gehabt, die haben uns eingeladen. Mit Einer habe ich mich angefreundet, die hat mir dann in ihrem wirklich ärmlichen Zuhause, aber ganz süß, alles ganz einfach, aber ganz hübsch, haben wir dann da in einem Trog wirklich wie man es so von früher kennt, mit einem Waschbrett die Wäsche gewaschen. Wir haben dann noch zusammen Fisch gegrillt und da zusammen am Feuer gesessen. Es war ein ganz toller Moment.

Auf den kleinen Inseln hast Du keinen Supermarkt im klassischen Sinne, sondern einen kleinen Shop, wo du das Nötigste zu kaufen bekommst. Dann hast du irgendwo noch einen kleinen Stand, wo irgendjemand Gemüse aus dem Garten verkauft. Es ist halt alles viel ursprünglicher und reduzierter natürlich auch.

Hast Du alles bekommen, was du so zum alltäglichen Leben brauchst? Sowas wie Zahnpasta zum Beispiel? (lacht)

Hm, ja, sowas kaufst Du natürlich auch schon mal vor, wenn Du auf irgendeiner Insel bist. Aber natürlich gibt es immer irgendwo Zahnpasta. Das ist zum Teil horrend teuer und ich frage mich auch, wie die Menschen dort sich alles erlauben oder leisten können.

Als wir auf den Niederländischen Antillen in einem richtigen Supermarkt standen, der auch von den Niederlanden beliefert wird, das Sortiment also vergleichbar ist mit unseren hier, waren meine Kinder völlig erschlagen. Die konnten es überhaupt nicht fassen, diese Vielfalt und dieses viel zu viel eigentlich. Mama, das braucht doch niemand. Wieso braucht man fünf verschiedene Sorten Frischkäse? Naja, eigentlich braucht man das nicht.

Unsere Ernährungssituation ist geprägt dadurch, dass Stephan Veganer ist. Wobei wir selbst gefangenen Fisch essen, das ist so der einzige Kompromiss, der es auch ein bisschen einfacher macht ernährungstechnisch, eben wegen Mangelernährung. Die Kinder und ich sind eigentlich zu 90 Prozent vegetarisch. Ganz selten, dass wir mal Fleisch essen, wenn uns wirklich gutes Fleisch begegnet. Wir essen Fisch und eben auch Milchprodukte, wenn es welche gibt. Im mittelamerikanischen Raum kennt man das aber gar nicht, weil viele Leute da keine Kühl-Möglichkeiten haben. Deswegen gibt es mal Milchpulver, aber das mögen wir jetzt nicht so. Wir verzichten dann auch eher mal. Aber du kriegst eigentlich immer genug, um Dich gut zu ernähren. Es ist alles reduziert.

Gibt’s auch mal Süßigkeiten?

Es gibt natürlich auch mal Süßigkeiten. Wir kaufen auch mal Kekse, wir backen auch mal einen Kuchen, natürlich und es gibt auch mal Schokolade, aber lange nicht immer. Und es ist dann eher wirklich etwas Besonderes.

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Ich könnte mir vorstellen, dass das dann auch gar nicht eingefordert wird…

Das ist richtig. Sie fordern’s nicht, weil es einfach nicht da ist und auch in diesem Alltag nicht so drin ist. Die kriegen auch mal ein Eis. Aber unser Budget gibt das ja auch nicht her, dass wir das täglich zelebrieren. Die kennen das alles und sie dürfen das natürlich auch, aber es ist aus unserem Alltag so ein bisschen weg und wird deswegen viel weniger eingefordert.

So ist es auch mit den Spielsachen. Das war das erste Weihnachtsfest. Ich hatte persönlich so ein bisschen Sorge, weil unsere Kinder damals in der Lego Phase waren. Es musste unbedingt etwas von Lego Ninjago sein. Wir sind dann tatsächlich auch deswegen über Trinidad, weil wir wussten, da gibt es ganz normale Shoppingmalls. Ich habe dann tatsächlich zwei kleine Pakete zu einem affig überteuerten Preis erworben. Das ist dann aber auch tatsächlich das einzige Geschenk, was sie bekommen. Und jetzt standen da diese zwei kleinen Geschenkchen für die beiden Großen und auch ein vergleichbar kleines für die Zwillinge. Und die haben es so gefeiert. Es war unfassbar, weil sie eben nicht damit gerechnet haben, dass das Christkind was gebracht hat, dass es das schaffen würde, was von Lego Ninjago in die Karibik zu bringen. Ich weiß, dass wenn wir zu Hause gewesen wären, da hätte das kleine Paket gestanden, es hätte traurige Gesichter gegeben. Und da sind ausgeflippt vor Freude. Und
so verschieben sich diese ganzen Relationen zu so einem wie ich finde gesunden Maß. So dass man diese kleinen Dinge auch wieder ganz anders wertschätzt.

Schön, dass sie das dort wirklich lernen konnten, dass es nicht immer auf den Konsum ankommt, sondern auf das Leben…

Ja. Wir haben weder den Platz, um zu lagern, noch die finanziellen Möglichkeiten, um zu kaufen.

Außerhalb von Spielsachen und Süßigkeiten, was sonst so der Frustpunkt ist, eher bei Kindern, die dann hier in Deutschland aufwachsen. Gibt’s denn sonst irgendwas, wo Deine Kinder schonmal sagen, ach, das ist jetzt blöd, ich will wieder nach Hause, oder gibt’s das so gar nicht?

Doch klar. (schmunzelt) Klar, es sind ja Kinder. Es ist nicht so, als ob die nie nörgeln, weil sie keine Süßigkeiten bekommen. Aber es sind ganz normale Kinder, die nörgeln auch.

…dann bin ich ja beruhigt… (beide lachen)

Ja, genörgelt wird eigentlich immer dann, wenn wir nicht im Verband mit irgendwelchen anderen Familien sind. Wenn Ihnen die Spielfreude fehlen, dann fällt ihnen natürlich auch auf, dass ihnen die Freunde zuhause fehlen. Und dann ist man natürlich auch als Eltern ganz anders gefragt. Ich meine natürlich haben wir das Glück, dass dadurch, dass wir vier Kinder haben, sie sich auch ein gutes Stück weit untereinander beschäftigen. Aber klar Lennis hat jetzt mit den dreijährigen bzw. acht Jahre jüngeren Zwillingen natürlich nicht so wahnsinnig viele Gemeinsamkeiten beim Spielen. Insofern ist das schon so grüppchenmäßig. Das ist aufgeteilt, Lennis und Malte, Ava und Benno. Sie haben immer Spielfreude, aber natürlich sind sie teilweise frustriert, wenn sie dann nur mit ihren Geschwistern spielen sollen. Da gibt es dann schon durchaus Momente, da haben Sie eigentlich gar keine Lust mehr und wollen wieder nach Hause.

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Jetzt seid Ihr ja grade hier. Ihr macht gerade Pause, auch um euch ein bisschen zu finanzieren, also zwischendurch arbeiten.

Stephan hat quasi durchgängig gearbeitet seit wir hier sind. Glücklicherweise ging das auch so. Ich habe auch ein bisschen arbeiten können. Ja es war zum einen natürlich der Wunsch, Familie und Freunde mal wiederzusehen, auch ganz intensiv bei den Kindern. Die wollten wirklich gerne Ihre Freunde und vor allem die Familie wiedersehen. Und gleichzeitig mussten wir die Reisekasse aufbessern, weil wir mit unserem Budget so zwar prima hinkommen, was aber herausfällt sind so Sachen wie die Auslandskrankenversicherung fürs Jahr für die ganze Familie. Das sind dann so Beträge, die müssen wir einfach irgendwie dazuverdienen, weil wir nicht so richtig beiseitelegen können. Genau deswegen haben wir die kleine Auszeit genommen. Ich bin sehr gespannt. Wir waren jetzt fast fünf Monate hier, die Kinder haben sich sehr gut eingelebt und daran gewöhnt hier zu sein.

Da das Haus noch vermietet ist, haben wir zeitweise im Wohnwagen von Freunden gewohnt bzw. jetzt gerade im „Baustellen-Zuhause“ von Freunden, die gekauft haben, und gerade renovieren. Aber das ist natürlich auch den Kindern klar, dass das jetzt keine Wohnsituation ist, die wir noch die nächsten Monate so mitmachen wollen. Aber sie haben schon angemerkt, dass sie eigentlich schon in absehbarer Zeit zumindest irgendwann auch gerne wieder nach Hause wollen.

Das heißt die nächste Etappe, also Euer nächster Schlag, ist dann Euer letzter?

Nee (lacht), nee. Es bleibt eine Familie-Entscheidungen, das haben wir immer gesagt und dazu stehen wir auch. Also, wenn da jetzt irgendjemand wirklich unglücklich ist, dann geht das nicht. Wir sind sechs Leute und uns muss das allen Spaß machen. Aber natürlich ist es auch so, dass wir jetzt auch nicht auf jedes „Och, ich habe keine Lust mehr…“ reagieren können und dann die Segel streichen und nach Hause ziehen. Wir haben den Kindern schon erklärt, dass wenn wir zurückwollen, dauert das auch noch mal eine ganze Weile. Wenn wir jetzt nächstes Jahr zurück sein wollten, würde das bedeuten, dass wir nach Guatemala zurückfliegen und ins Boot setzen und quasi nichts anderes machen als nach Hause zu segeln. Das fühlt sich irgendwie für uns alle noch gar nicht so richtig an. Darauf haben wir uns eigentlich intern verständigt, wir reisen nochmal ein Jahr ganz unbeschwert weiter. Wir haben so viele Pläne gemacht, die sich immer alle geändert haben, deswegen keine Ahnung, aber so die Idee, dass wir dann so langsam wieder Richtung Heimat segeln, dann wären wir auch fast fünf Jahre weg.

Jetzt versuche ich eine Brücke zum Ende des Gesprächs zu schlagen. Wenn du jetzt einer Familie, die auch überlegt mit ihren Kindern auf eine lange Segel-Reise zu gehen, was empfehlen könntest, was würdest du für Tipps geben? Sowohl für die Vorbereitung als auch für unterwegs. Was sind die 3-5 ultimativen Tipps, die man auf jeden Fall beachten müsste?

Hm, okay, die ultimativen Tipps für einen Langzeit-Segeltrip mit Kindern sind:

  • Sei mutig, mach’s einfach, denk nicht zu viel drüber nach. Es wird immer Leute geben, die ganz wohl gemeint und auch gar nicht verkehrt zum Teil, ganz viele Ratschläge geben wollen. Aber wenn man auf all die hört, dann macht man es am Ende nicht. Wenn das dein Herzenswunsch ist, dass vorausgesetzt, dann mach’s einfach. Die Türen werden aufgehen, die aufgehen sollen. Es muss sich halt richtig anfühlen. Hör auf deinen Bauch, ob es eine gute Entscheidung ist. Auch für alle kommenden Entscheidungen: Hör auf deinen Bauch.
  • Sei flexibel, weil sich die Dinge ändern. Halt nicht zu sehr fest an gemachten Plänen, weil die sich ändern werden und das ist aber ganz oft auch gut so…
  • Hab nicht zu viel Angst. Wir haben so oft von anderen Seglern gehört, um Gottes willen, da kann man nicht hin und nein, das ist viel zu gefährlich. Ich glaube, wenn wir da immer drauf gehört hätten, dann würden wir wahrscheinlich immer noch in Martinique hängen und hätten uns überhaupt nicht bewegt. Man muss sich einfach ein Stück weit trauen. Wir sind zumindest damit belohnt worden, dass wir gemerkt haben, dass das alles halb so wild und überhaupt nicht so gefährlich ist wie gesagt wurde.
  • Und ja es ist natürlich auch für die Familien eine echte Prüfung. Es ist nicht so, dass wir uns am Boot immer nur eitel Sonnenschein herrscht hat. Also, in jeder erdenklichen Konstellation untereinander wurde da auch gestritten und geschimpft, weil man sich natürlich auch auf den Nerv geht, gerade wenn das so beengt ist. Und da ist glaube ich einfach wichtig, dass man irgendwie in der Liebe bleibt, dass man versucht, diese ganzen unwichtigen Dinge und Nervereien nicht so wichtig zu nehmen und bei sich zu bleiben und in Liebe.

Was für ein schöner Abschluss (beide Lachen). Da bleibt ja eigentlich nur noch zum Schluss zu sagen, wenn jetzt die Leute, mehr von Dir sehen und hören wollen, können sie Eure Reisebereichte auf Deinem YouTube-Channel und auf Deinem Blog verfolgen: Sechs on the beach – wie sechs Familienmitglieder am Strand.

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Das Interview mit Aline hat unsere Gastautorin Silvia geführt!! Vielen lieben Dank

Silvia Irsfeld-Rozsa
Silvia arbeitet als Projektmanagerin für Bewegtbildproduktion mit dem Schwerpunkt auf Familiencontent. Sie ist Mama einer sechsjährigen Tochter und Sohn eines fast zweijährigen Sohnes. Mit Begeisterung schreibt sie über Themen rund um’s Mama-sein und kann dabei ihrer Neugier auf Familienthemen nachgehen. Zusammen mit ihrem Mann, ihren zwei Kindern und dem Hund lebt sie im Herzen von Köln.

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