Die 5 heissesten Tipps für Alleinerziehende

Von Published On: 16. August 2020Kategorien: Alleinerziehend, Gastbeitrag, Kolumne0 Kommentare

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Diagnose: Alleinerziehend. Begleiterscheinungen: Mitleidige bis abschätzende Blicke, chronischer Schlafmangel, Vorurteile, mental load deluxe, Existenzängste u.v.m. Auf Tinder (ja, ich weiß, was erwarte ich auch), habe ich vor kurzem bei einem Typen im Profil wortwörtlich folgendes gelesen: Bitte keine single moms. Wenn du so ein Fang gewesen wärst, dann hätte der Typ dich und deine Kinder nicht sitzen lassen.

Mal davon abgesehen, dass das natürlich so oder so völliger Schwachsinn ist, überschreitet es offensichtlich auch Torbens Vorstellungskraft, dass sich Frauen auch von Männern trennen können. Die meisten gehen aber bei alleinerziehenden Mamas offensichtlich schon davon aus, dass sie verlassen wurden – und das ist nur eines von unzähligen Vorurteilen, die es gegenüber Alleinerziehenden gibt. Da von Torben (38), der in seiner Freizeit übrigens Pokemon Go spielt und (Zitat) “gerne mit Freunden telefoniert”, wahrscheinlich keine sonderlich guten Lebensweisheiten zu erwarten sind, habe ich jetzt welche für euch. Für alle frisch gebackenen single moms von Kleinkindern – hier meine 5 heissesten Tipps, um nicht völlig am Rad zu drehen:

1. Hilfe suchen, einfordern und annehmen

Letzteres ist mir schon immer am schwersten gefallen. Davon muss man sich allerdings besser früher als später befreien. Freunde und Familie sind natürlich meistens die ersten Anlaufstellen, aber es gibt auch großartige Vereine und Beratungsstellen, an die man sich wenden kann. Gerade zu Beginn, wenn man das Gefühl hat, die Welt geht unter und man sich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen möchte, hilft es, sich von Außenstehenden, die Erfahrung bezüglich dieser Thematik haben, beraten zu lassen. Aus eigener Erfahrung, kann ich Pro Familia zum Beispiel wärmstens empfehlen. Die Dame, mit der ich damals gesprochen habe, hat mir unter anderem einen DinA4 Zettel mitgegeben, auf dem genau aufgelistet war, was einem wann für Hilfen zustehen und wo man die beantragt. Das mag zunächst nicht so wahnsinnig hilfreich auf emotionaler Ebene erscheinen, aber es gibt einem wirklich etwas Ruhe und vor allem Ideen dazu, wie es denn nun weiter gehen soll. Und lasst es euch von jemandem, der aus dem Fliegerleben kommt sagen – mit Checkliste in der Hand, lässt es sich bedeutend schwerer in Panik verfallen. Und Panik ist wirklich nie ein guter Berater.

 

2. Mach eine Therapie

Das klingt jetzt vielleicht erst mal hart oder sogar anklagend, ist aber absolut nicht so gemeint. Im Gegenteil, du tust damit etwas für dich und dein Kind. Vor allem, wenn es in der Ex-Beziehung Gewalt (physischer oder auch seelischer Natur) gegeben hat, ist es das Beste was man machen kann, um positiv in die Zukunft zu schauen. Es heißt auch absolut nicht, dass mit dir etwas nicht stimmt, sondern schlichtweg, dass einem manchmal einfach zu viel angetan wurde, als dass man das alles alleine verarbeiten kann. Bei einer (Trauma-) Therapie wird dir dabei geholfen, Wege zu finden, mit dem Erlebten besser klar zu kommen und das Trauma nicht unverarbeitet mit dir mitzuschleppen. Denn das kann auch negative Auswirkungen auf dein Kind haben. Sich in der Richtung Hilfe zu suchen, ist nichts, wofür man sich schämen sollte, sondern zeugt von wahnsinniger Stärke und sollte gesellschaftlich eigentlich als so normal angesehen werden, wie der regelmäßige Gang zum Zahnarzt. Denn um sein seelisches Wohl sollte man sich mindestens genauso gut kümmern, wie um seinen Körper.

 

3. Krampfhaften Perfektionismus ablegen

Wie habe ich mir in der Schwangerschaft dieses ganze Mutterding noch so schön und easy in lauter Pastelltönen ausgemalt? Mindestens ein Jahr wollte ich Vollzeit-Stillen, mich dabei selbst natürlich auch nur vom Feinsten ernähren, damit Junior bloß keine Fast Food verseuchte Pommes-Milch eingeflößt bekommt und später sollte auch bloß nichts aus der Fertiggericht Rubrik für den kleinen Thronfolger aufgetischt werden. Aber dann? Frühgeburt. Realitätsklatsche mit Anlauf. Alleinerziehend. Wohnungslos. Wohnung gefunden. Gewalt entkommen. Und dann irgendwann die Erkenntnis: Du musst den verdammten Avocadoreisflockenbrei nicht zwingend selbst machen, damit dein Kind glücklich ist. Ich habe lange gebraucht, um einzusehen, dass im Leben einer (alleinerziehenden) Mama nicht genug Raum für grenzenlosen Perfektionismus ist. Es sei denn, man ist scharf auf Burnout. Ich musste mich für meinen Teil regelrecht zwingen, Dinge auch mal unperfekt zu lassen, um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen. Das fiel mir lange sehr schwer. Und heute? Da essen wir abends sogar auch mal eine TK-Pizza und zwar, weil ich an manchen Tagen einfach nicht mal mehr den Nerv habe, nach “Feierabend” auch nur noch einen einzigen Topf abzuspülen. Und das ist okay so!

 

4. Unbedingt Zeit für DICH nehmen

Und wenn ich sage für dich, dann meine ich wirklich NUR für dich. Dann meine ich nicht, die Zeit zu nutzen, um zu putzen, die Wäsche zu machen, einen Großeinkauf zu erledigen oder anderweitig zu arbeiten. Auch, wenn die Lage meistens schon so hart ist, dass man solche Dinge schon fast als Entspannung ansieht, wenn man sie mal alleine erledigen kann. Bei dem 24/7 Job inklusive der 100% mental load, die man komplett alleine trägt, muss man unbedingt Wege finden, regelmäßig die Batterien aufladen zu können. Klar ist das oft schwierig zu realisieren und man gönnt sich das auch nur schwer, weil ja ohnehin immer Quadrillionen Sachen liegen bleiben – da über den 7 Bergen bei den 7 Zwergen, ungefähr an der Stelle, wo auch der Rucksack mit den Karriereplänen irgendwann noch wieder eingesammelt werden will. Aber in der Regel hast du schon kein Wochenende. Der “Feierabend” geht immer nahtlos in den Bereitschaftsdienst über. Und trotzdem nagt das immer schlechte Gewissen an uns. Um den neuen Lieblingssatz meines Sohnes zu zitieren: “Du musst aber.”. Du musst aber Auszeiten nehmen! Im Zweifel hilft oft auch schon eine halbe Stunde, in der man einfach mal für sich sein kann. Wichtig ist, dass man etwas tut, was wirklich für Entspannung und Kopf ausschalten sorgt. Das kann Sport sein, lesen, meditieren oder Zeit mit Freunden verbringen. TV gucken ist es in der Regel übrigens nicht. Das reicht dem Kopf nicht. Also, nimm dir die Zeit, auch wenn dafür mal was anderes liegen bleibt. Dafür fällt beim Spülen am nächsten Tag aber vielleicht keine Tasse runter oder der umgekippte Kaffee lässt dich nur kurz mit den Augen rollen, statt dich vor lauter Erschöpfung fast zum Heulen zu bringen.

 

5. … und am Wichtigsten: Hör auf dich selbst und dein Kind und nicht auf Brigitte, Hildegard & Co

Bevor man selbst Kinder hat, weiß man immer alles besser. Und selbst danach scheinen manche Mamas noch zu vergessen, dass das Kind mit dem Wutanfall, über das sie gerade noch die überdramatisch weit aufgerissenen Augen verdrehen, morgen wieder ihr eigenes sein könnte. Normalerweise müssten wir uns unter Mamas in erster Linie nur Blicke der Anerkennung und des Mitgefühls zuwerfen. Ständig grundlos an anderen rumzukritisieren ist selten hilfreich. Leider gibt es immer wieder Leute, wie die 80-jährige Hildegard in der Bahn, die meint, sie wüsste dies und das über die Gründe, weswegen mein Kind weint besser, weil sie ja auch einen Sohn hat – und die funktionieren ja bekanntlich alle gleich. Oder Schwiegermutter Brigitte, die als erfahrene Wahrsagerin schon vorhersagen kann, dass das Kind ja mit 18 noch in Mamas Bett schlafen wird, wenn man es mit sage und schreibe 4 Wochen nicht mal langsam an das eigene Bett gewöhnt. Bei so ungefragten Lebensweisheiten ist es schon hilfreich, wenn man relativ schnell lernt, diese galant zu ignorieren. Und wenn es allzu dreist wird, ist es völlig legitim und hat auch nichts mit Unfreundlichkeit zu tun, wenn man einfach mal sagt: Halt doch bitte den Mund, Brigitte.

Autorin: Maike Fröhlingsdorf 

Bilder: Unsplash & Maike by Lena Heckl

Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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