Date My Mom Part VIII – „Am Brüsseler hängen mal wieder…“

Von Published On: 16. Oktober 2020Kategorien: Alleinerziehend, Kolumne0 Kommentare

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„… die üblichen Gestalten ab. Letztes Jahr um diese Zeit habe ich morgens mal auf einem der Mäuerchen gesessen und auf eine Freundin gewartet, als eine Touri-Truppe inklusive Guide da rumlief. Während ich verkatert und leicht schlunzig gekleidet vor mich hinvegetierte, habe ich gehört, wie der Reiseführertyp zu seinen Schäfchen sagte: “So, this is Brusseler Platz – it’s where the cool kids hang out.” Ich sah an mir herunter, hm geht so cool, und dann umher, wo ringsum außer mir nur Obdachlose saßen – wir sind also die “cool kids” – okay. 

Jetzt am Abend ist es natürlich wieder voller und der Platz trotz Corona mit viel zu vielen Hipstern überladen, die lässig bei einem Gösser zusammensitzen und sich hin und wieder ne Kippe aus der Bauchtasche, die eigentlich Brusttasche heißen müsste, ziehen. Kauz und ich sitzen etwas abseits, draußen am Tisch einer Kneipe, wo der Altersdurchschnitt nicht ganz so niedrig ist und man sich mit Anfang 30 nicht schon wie kurz vor der Rente fühlt, nur weil alles um einen herum gerade erst aus der Schule gestolpert ist. Wir quatschen über Gott und die Welt und darüber, wie sinnlos eigentlich diese Redewendung ist, weil heutzutage kaum einer wirklich über das eine oder das andere spricht.

Über Gott sprechen wir auch nicht, aber über die Welt. Übers Reisen und darüber, dass Köln uns schon manchmal echt auf den Sack geht. Hier leben zwar über eine Millionen Menschen, aber letzten Endes ists doch irgendwie ein Dorf. Man geht die immer selben 6 Straßen lang, holt sich an denselben Ecken nen Kaffee, läuft ständig denselben Leuten über den Weg und wiederholt das in der Endlosschleife. Das fand ich aber selbst in Berlin mit seinen über 3 Millionen Einwohnern so – am Ende bleibt man eben doch in seinem Kiez und dann ist vom großen, urbanen Lifestyle auch nicht mehr so viel übrig.
 

Ich bin gerne in großen Städten unterwegs. Dorfleben wäre für mich der absolute Albtraum. Als ich das erste Mal nach New York geflogen bin, waren sich alle einig – zwei Wochen sind viel zu viel. “Das ist so stressig da, das wird dir so schnell auf die Nerven gehen!” Ist es nicht. Ich liebe diese Stadt. Liebe die Großstadt-Hektik und dass man aus dem Gucken gar nicht rauskommt. Liebe den Weg über die Brooklyn Bridge in die City rein und den Concrete Jungle, der einen auf der anderen Seite erwartet. Liebe die Straßenmusik und all die Breakdancer und dass immer was los ist, weil diese Stadt einfach niemals schläft. Und ich liebe es, dass dort nie jemand zu mir sagen würde “Warum gehst du so schnell?”, sondern hier manchmal sogar Kreideherzen auf den Gehwegen sind, in denen steht “Welcome to New York. Walk faster!” Ob es sich aber selbst in New York, wenn man erst mal länger dort lebt, irgendwann nach Dorf anfühlt? Also wenn es da so ist, dann ist es wohl überall so. Dann bleibt einem zum Entkommen nur noch das ewige Reisen.

Ich bin ein Mensch, der echt schnell gelangweilt ist. Einmal habe ich einen Job gekündigt, weil mich der immer selbe Weg zur Arbeit, in dieselbe Redaktion, mit denselben Leuten und denselben Schreibtischen, an demselben Laptop einfach so unfassbar angenervt hat. Ich konnte es einfach nicht mehr sehen. Ich weiß – irgendetwas stimmt mit mir nicht. Kauz ist auch genervt. Von der Frauenwelt. “Irgendwann habe ich auch keinen Bock mehr, dann werde ich einfach ein richtiges Arschloch.” Same! Denk mir aktuell genau dasselbe.


Wobei Paul das möglicherweise auch jetzt schon von mir denken könnte. Ich überlege, Kauz die Paul-Story zu erzählen, aber irgendetwas hält mich davon ab. Aber was? Kauz hat wie immer die Antwort. “Maike, du musst dich mal locker machen. Du hast den Kopf viel zu zu. Komm wir machen noch einen drauf. Du trinkst, wir reden, hören bisschen Musik, kommen auf andere Gedanken und du trinkst.” – “Du hast schon ‘du trinkst’ gesagt”. Kauz fährt sich durch die Locken und lacht sein dreckiges Lachen. “Jetzt komm schon, du Knochen.” 

Wir laufen los. Vorne an der Ecke sehe ich ein bekanntes Gesicht auf mich zu kommen. Schon ein echt schöner Mann, denke ich noch und habe absolut keine Ahnung, wie der Abend dann so zu Ende gehen konnte… 

To be continued

Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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