DATE MY MOM PART II – Treffpunkt: Kiosk

Von Published On: 1. September 2020Kategorien: Alleinerziehend, Kolumne0 Kommentare

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Treffpunkt: Kiosk. Da stehe ich also und warte auf das erste Tinder-Date meines Lebens. Ich bin wie immer etwas früh dran. Leicht nervös bin ich auch. Also geh ich vor dem Kiosk super lässig auf und ab und höre irgendwelche Sprachnachrichten ab, die ich schon längst beantwortet habe, nur damit ich irgendeine Aufgabe für meine acht Arme habe und da nicht wie ein unsicherer Oktopus in der Gegend rumstehe, während die Kölner Hipster alle vor Selbstbewusstsein strotzend an mir vorbei schlendern und bestimmt sofort sehen, dass ich hier völligst nervös auf ein Date warte. Ich male mir gerade noch aus, was wohl wäre, wenn ich ihn nicht direkt erkennen würde. Oder schlimmer noch – glaube, ihn erkannt zu haben und dann ist er das gar nicht. „Hi, bist du Paul?” – „Ne.” – „Oh ok, ich auch nicht.” 

Da kommt er, sein Fahrrad schiebend, über die Straße. Puh, okay, der sieht ganz gut aus und sympathisch – ist ja auch nicht ganz unwichtig. Und groß. Verdammt groß! Also ich bin nicht klein, aber ich muss echt den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzugucken, als er dann vor mir steht. „Du bist ja riesig.” Congratulations Maike, richtig guter erster Satz. Sag doch direkt „Ich habe eine Wassermelone getragen.”, das wäre ähnlich eloquent gewesen. Er grinst nur und zuckt mit den Schultern. Tja, was soll er darauf auch antworten? „Ach nein, das wirkt nur in dem Licht so.”?  

Wir holen uns zwei Bier und schlendern Richtung Stadtgarten. Nach dem anfänglichen Geplänkel über unseren bisherigen Werdegang, rutschen wir relativ schnell in eine Gesprächsschiene jenseits der Smalltalk-Grenze. Paul ist Lehrer. Am Gymnasium. Sport und Englisch. Find ich ja schon mal gut. Das erleichtert so einiges hinsichtlich meiner Neigung in Deutsch-Englisch-Remix-Manier zu sprechen. Er erzählt mir von Namibia, ich ihm von Südafrika. Und Paul unterrichtet nicht nur Englisch, er hat auch allgemein ein Faible für Sprachen. Und fürs Reisen. Er starrt mich nicht wie ein Auto an oder guckt gelangweilt in der Gegend rum, wenn ich davon spreche, dass eine Sprache so viel mehr ist, als nur fremde Wörter. Dass jede Sprache auch Ausdruck der jeweiligen Kultur ist und man selber zum Beispiel auch erst merkt, wie deutsch man eigentlich ist, wenn man Deutschland erstmal verlassen hat. Wir quatschen uns gegenseitig voll, bis es dunkel wird. Dann ziehen wir weiter zu einer Bar. Wenn das Gespräch von außen betrachtet nicht bis dahin schon etwas geeky geklungen hat, dann spätestens jetzt. Irgendwie sind wir auf Stand Up Comedy gekommen. Besser hätte man sich einen First-Date-Fragenkatalog vorher nicht zurechtlegen können, so wie wir uns jetzt gegenseitig bombardieren. Das beste Comedy Festival, die besten Serien, unsere Top 3 Comedians. Ich gehe schon kaum davon aus, dass er alle kennt, die ich ihm nenne. Deutschland ist immerhin nicht die Hochburg Nummer 1 was Stand Up angeht. Lucky enough, dass er sich überhaupt für Comedy interessiert. Aber er kennt sie (fast) alle. Dann nennt er seine Lieblinge. Und da ist er dann – der Name meines Ex. Tja, wat sachste jetzt? Ich zieh erst mal ein ähnliches Gesicht, wie er, als ich so intelligent festgestellt habe, wie wahnsinnig hoch gewachsen er doch ist.  
 
„Nicht gut?”, fragt er. „Doch, doch, gut find ich ihn als Comedian schon. Das ist nur mein Ex-Freund.” Kurzes Schweigen. Dann: „Ach deshalb warst du solange in Südafrika.” – Lässige Reaktion. Gut, damit haben wir das schon mal abgehakt. Bleibt noch das „Ich-habe-übrigens-ein-Kind“-Thema. Aber das hat noch Zeit. Nicht jetzt. Erst mal schauen, wie es so weiter geht. Wir laufen noch ein Stück. Die Bars haben draußen schon die Tische zusammengeklappt. Dank Corona scheint keiner so recht zu wissen, wohin mit sich und die meisten Leute schlendern einfach nur ziellos durch die Gegend. Wir setzen uns auf eine Bank, trinken unser letztes Weg-Bier aus und beobachten die schon leicht torkelnden Gestalten vor der Bar nebenan. Während die Besoffskis immer lauter werden, werden wir immer leiser. Von peinlicher Stille aber keine Spur. Eher eine wohlige Ruhe. Ich mustere ihn in einem unbeobachteten Moment von der Seite. Schon ganz schön gutaussehend der Kerl. Kann auch nicht sagen, dass diese Basketballer-Größe mir nicht gefallen würde. Dann wendet Paul plötzlich seinen Blick von der Menge ab und schaut mich direkt an. Zu spät für mich, um noch schnell unauffällig wegzugucken. Und so schaue ich zurück, in diese unfassbar sexy blauen Augen, mit diesem Blick, der irgendwie was Verwegenes hat – ein Wort das mir bisher noch bei keinem Mann in den Sinn gekommen ist. Und bevor ich noch “Jetzt küss mich endlich!” denken kann, beugt er sich den weiten Weg zu mir runter, nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich.

Ab da ist es etwas ausgeartet. Wie so Teenies haben wir bestimmt eine Stunde lang rumgeknutscht. An jedem Samstag vor Corona hätte uns dabei wohl kaum jemand großartig Beachtung geschenkt. Da wären wir Zwei von vielen gewesen. Aber da die Nächte momentan selbst am Wochenende eher an Geister- als an Großstadt erinnern, blieb unser krönender Date-Abschluss nicht unkommentiert. Als ein Typ leicht lallend und mit einem nach Augenrollen klingendem „Ja okeee, ihr Turteltauben.”, an uns vorbei schlurfte, rissen wir uns dann doch mal wieder lachend voneinander los. Wir verabschiedeten uns und gingen beide nach Hause. Gerade zu Hause angekommen, vibrierte mein Handy. Paul: Wow. Ich war so geflasht, dass ich grad erst mal mein Fahrrad vergessen habe. Süß. Und: Ich warte immer noch auf den Haken. 😉   
Ach, wenn du nur wüsstest… 

To be continued… & hier geht´s zu Part I der „Date my Mom“ – Serie

Maike Fröhlingsdorf
Maike lebt in Köln, ist freie Texterin und ist alleinerziehende Mama von Louis. Bevor sie Mama wurde, reiste sie viel durch die Welt und verfasste Texte zum Thema interkulturelle Kommunikation. Hier schreibt sie über das Mama sein, ihr Leben als Alleinerziehende und damit einhergehende Klischees und Vorurteile.

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